Station M Rechtmäßigkeit von Arbeitskämpfen

Reiter

Grundlagen für die Arbeit in einer Tarifkommission

Station M: Rechtmäßigkeit von arbeitskämpfen

Worum geht es?

Damit ein Streik erfolgreich sein kann und den beteiligten Mitgliedern rechtliche Sicherheit bietet, müssen bestimmte Rechtsvorschriften und Bedingungen eingehalten werden.
Darum geht es an dieser Station.

Was ist zu tun?

Lies in aller Ruhe den untenstehenden Text gründlich durch, mach Dir auch ruhig Notizen dazu.
In der Übung findest Du eine Zuordnungsaufgabe, die sich nun mit dem Wissen und den Kernaussagen aus der Textarbeit beantworten lässt.
Du kannst natürlich auch versuchen, die Fragen in der Übung zuerst zu beantworten, und den Text erst anschließend zu Hilfe zu nehmen.

Koalitionsfreiheit und Streikrecht 

Koalitionsfreiheit und Streikrecht sind verfassungsgemäße (Artikel 9 des Grundgesetzes) und durch völkerrechtlich verbindliche internationale Abkommen garantierte Grundrechte. Als „Doppelgrundrechte“ schützen sie das Recht Einzelner, sich gewerkschaftlich zu organisieren, andere für die Gewerkschaft zu werben, für die Ziele der Gewerkschaft – gerade auch im Betrieb/Dienststelle! – aktiv einzutreten. Dies gilt insbesondere für den Abschluss von Tarifverträgen „zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ und dafür, dies in letzter Konsequenz auch mit dem Mittel des Streiks durchzusetzen. 
Andererseits garantiert dies das Recht der Gewerkschaft als Organisation, in den Betrieben/Dienststellen zu informieren und zu werben sowie in letzter Konsequenz Arbeitskämpfe zur Durchsetzung von Tarifverträgen zu organisieren. Die Rechtsprechung bejaht ausdrücklich das Streikrecht, weil nur durch die Nutzung dieses Mittels abhängig Erwerbs- tätige gegen das „strukturelle Ungleichgewicht“ zwischen Kapital und Arbeit ihre gemeinsamen Interessen und Forderungen durchsetzen können. Tarifverhandlungen ohne Streikrecht wären nichts anderes als „kollektives Betteln“. 

Streik

= kollektive, von einer zuständigen Gewerkschaft ausgerufenen und organisierten Arbeitsniederlegung mit dem Ziel, Forderungen in einemTarifvertrag durchzusetzen.
Während des Streiks ruhen für beide Seiten die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertragsverhältnis. Mit der Beendigung des Streiks leben diese wieder auf. Siehe dir auch das Erklärvideo der Hans-Böckler-Stiftung dazu an.

Arbeitskampfrecht = Richter*innenrecht

Da dieses Grundrecht nicht näher durch ein Gesetz definiert ist, seine Ausübung jedoch mit den (Grund-)Rechten Dritter in Kollision geraten kann, werden diese Konflikte gerichtlich ausgetragen und entschieden.
Bei diesen Entscheidungen prüfen die Gerichte, ob Streiks zulässig sind und ob sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. 

Wann sind Streiks zulässig?

Grundsätzlich sind nach der in Deutschland vorherrschenden Rechtsprechung Streiks nur zulässig, wenn sie von einer zuständigen Gewerkschaft organisiert werden und durch sie Forderungen durchgesetzt werden sollen, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen tarifvertraglich regeln. Nach dieser Lesart können Streiks nicht für Forderungen geführt werden, die in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingreifen.
Nach dieser Auffassung sind z.B. Streiks gegen eine geplante Ausgliederung nicht zulässig, Streiks für die tarifvertragliche Absicherung des Übergangs und die Garantie der Vergütungs- und Arbeitsbedingungen in der neuen Firma jedoch schon. Nach dieser Logik ist auch ein Streik mit dem Ziel, einen Arbeitgeber in einen Verband zu zwingen, nicht zulässig (weil damit die „negative Koalitionsfreiheit“ einen/eine Arbeitgeber*in verletzt würde); ein Streik für einen Tarifvertrag, der das Niveau des Verbandstarifvertrags („Flächentarifvertrag“) übernimmt jedoch schon.

Ebenso wenig sind nach dieser in Deutschland herrschenden Rechtsauffassung Streiks gegen geplante Gesetze oder politische Maßnahmen einer Regierung („politische Streiks“) zulässig, da die bestreikten und damit ökonomisch unter Druck gesetzten Unternehmen nicht für diese Entscheidungen verantwortlich sind.
Neben diesen Kriterien, die die Rechtmäßigkeit der Forderungen und tarifpolitischen Ziele betreffen, sind bei der Frage, ob Arbeitskampfmaßnahmen zulässig sind, aber noch zu beachten,

  • dass keine „Friedenspflicht“ mehr vorliegt, d.h. bei einem bestehenden Tarifvertrag muss dieser frist- und formgerecht gekündigt, das Laufzeitende erreicht und der/die Arbeitgeber*in muss/müssen zu Verhandlungen aufgefordert worden sein,
  • dass von der Arbeitgeberseite Verhandlungen abgelehnt oder verzögert wurden oder die Arbeitgeberseite nach Einschätzung der Gewerkschaft ein unzureichendes Angebot vorgelegt hat,
  • ob die Arbeitgeberseite eine evtl. vorliegende Schlichtungsvereinbarung nicht genutzt und die Gewerkschaft zur Schlichtung aufgefordert hat.

Die Beachtung dieser Kriterien ist wichtig, weil die Rechtsprechung bei ihren Entscheidungen von dem „ultima ratio“-Prinzip ausgeht. D.h., dass der Arbeitskampf das letzte Mittel sein soll, um einen Tarifvertrag durchzusetzen. Soll für ein neues bisher nicht in einem Tarifvertrag geregeltes Ziel gestreikt werden, entfällt die Prüfung der „Friedenspflicht“.
Soll mit einem bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber*in ein Tarifvertrag erkämpft werden, entfällt auch die Prüfung, ob eine Schlichtungsvereinbarung vorliegt und der Arbeitgeber diese in Anspruch nimmt. 

Wann sind Streiks verhältnismäßig?

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Streiks berücksichtigt folgende Kriterien:

  • der Arbeitskampf muss der Erreichung des Ziels (Abschluss eines Tarifvertrags) untergeordnet sein,
  • die (Grund-)Rechte Dritter (insbesondere das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, aber auch das Recht auf Eigentum, auf das sich v.a. Arbeitgeber*in berufen) müssen respektiert werden,
  • die öffentliche Ordnung und Sicherheit dürfen nicht gefährdet werden,
  • es dürfen keine strafbaren Handlungen begangen werden,
  • nach der Beendigung des Arbeitskampfes muss der Betriebsfrieden wieder hergestellt werden. 

Bitte warten Sie, bis der Inhalt geladen werden konnte.

Mach auch die Lösungsblätter zum Bestandteil deines Lernprozesses. Schau dir an, wo Du mit Deinen Überlegungen richtig gelegen und wo Du Dich vertan hast. Überlege was Dich zu Deiner Lösung geführt hat, prüft und diskutiert, was an der Aufgabe für Euch und Eure Arbeit wichtig ist.