Verschwörungserzählungen und Antisemitismus
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In dieser kurzen Einheit möchten wir dir die Überschneidungen von Verschwörungserzählungen und Antisemitismus erläutern. Im ersten Teil findest du eine kurze Definition zu Verschwörungserzählungen, die gleichzeitig die Nähe zu Antisemitismus erläutert. In dem nachfolgenden Schiebebild haben wir die Schnittmenge visuell aufgegriffen. Im Abschluss kannst du ein gängiges verschwörungsnarrativ auf antisemitische Bestandteile untersuchen.
"Eine Verschwörungserzählung ist eine Annahme darüber, dass als mächtig empfundene Einzelpersonen oder eine Gruppe von Menschen wichtige Ereignisse der Welt beeinflussen und damit der Bevölkerung gezielt schaden, während sie diese über ihre Ziele im Dunkeln lassen." Nocun/Lamberty in Fake Facts
Aber warum ist dieses Deutungsmuster auch gleichzeitig anstisemitisch?
Kern prototyper Verschwörungslegenden bildet eine geheime jüdische Verbindung, deren Ziel es sein soll, die traditionellen gesellschaftlichen Strukturen zu zerstören und auf diese Weise die Weltherrschaft anzustreben.
Fragt man Verschwörungsgläubige nach den vermeintlich mächtigen Eliten, die die Geschicke der Welt lenken, so wird der antisemitische Bezug oft eindeutig. Nicht selten werden jüdische Investoren wie George Soros, oder jüdische Familien, wie die Rothschilds zu Sündenbücken unserer Alltagsprobleme erklärt. Aber selbst, wenn der Bezug zu jüdischen Personengruppen in der jeweiligen Erzählung nicht deutlich wird: Verschwörungserzählungen fußen auf einem antisemitischen Denkschema. Verantwortlich für die Probleme der Welt sind darin im verborgenen handelnde Menschengruppen.
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Die Marionette ist eine klassische Metapher in Verschwörungserzählungen.
Es wird behauptet, dass es im Hintergrund "Marionettenspieler" gäbe, die im Geheimen die Geschicke der Welt lenken. Oft wird zwar nicht genau ausgeführt, wer genau die Marionetten- oder Puppenspieler sein sollen, aber es gibt durchaus Muster. So lässt sich oft beobachten, dass bei solchen Erzählungen besonders häufig Juden und Jüdinnen als böse Mächte im Hintergrund vermutet werden.
Solche Annahmen sind in Deutschland weit verbreitet. Laut der Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung von 2019 dachten 33 Prozent, Politiker und Politikerinnen sowie andere Führungspersönlichkeiten seien nur Marionetten der dahinterstehenden Mächte.
"Antisemiten", so formulieren es die Antisemitismusforscher Samuel Salzborn und Alexandra Kurth, "erklären sich ihr gesamtes Weltbild durch antisemitische Projektionen und Verschwörungsmythen, in denen Jüdinnen und Juden für alles verantwortlich gemacht werden, was sie selbst nicht verstehen können oder wollen – und dabei zugleich als unglaublich mächtig wie unglaublich machtlos phantasiert werden."
Da Antisemitismus jedoch in unserer Gesellscahft noch ein Tabu genießt, werden die Erzählungen oft abgewandelt. Fragt man Verschwörungsgläubige nach den vermeintlich mächtigen Eliten, die die Geschicke der Welt lenken, so wird der antisemitische Bezug oft eindeutig. Damit ist die Metapher von "Marionetten", die von einigen wenigen gesteuert werden antisemitisch.
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