Radikalisierung im Reichsbürger:innenmilieu
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Kürzlich wurde im Zuge einer Razzia gegen die mutmaßliche Reichsbürger:innen-Terrorzelle "Patriotische Union" wieder überdeutlich, dass sich diese vielfach als obskur verlachte Szene zunehmend radikalisiert. 25 Menschen wurden festgenommen, gegen 22 besteht der Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Darunter ist auch eine ehemalige AFD-Bundestagsabgeordnete, ein adliger Immobilienmogul, mehrere ehemalige Mitglieder des Kommando Spezialkräfte und Fallschirmjäger der Bundeswehr, Ärzte, Unternehmer, ein ehemaliger Polizist, einige Querdenker:innen und Anhänger:innen der Verschwörungsideologie Q-Anon. Das führt vor Augen, dass rechtsextremes Gedankengut in der Mitte der Gesellschaft und sogar in den staatlichen Sicherheitsstrukturen angekommen ist. Und die Szene der Reichsbürger:innen wächst und wird aktiver. Ausschlaggebend dafür sind die Querdenken-Proteste. So spricht der Verfassungsschutzbericht von etwa 21.000 Reichsbürger:innen, von denen etwa jeder zehnte gewaltbereit sei. Wie kommt es, dass Querdenker:innen zu Reichsbürger:innen werden? Und wieso radikalisiert sich die Szene dadurch?
Wieso radikalisiert sich das Reichsbürger:innenmilieu? Über viele Jahrzehnte wurde die Szene nur spöttisch beäugt. Zu obskur waren ihre Thesen, als dass sich eine breitere Öffentlichkeit mit ihnen befasst hätte. Das änderte sich 2016, als der Reichsbürger Wolfgang Plan einen SEK Beamten erschoss. Erst seit dieser Radikalisiserung befasst sich auch der Verfassungsschutz intensiver mit der Szene. Der Rechtsextremismusforscher Miro Dittrich geht nun davon aus, dass der personelle Zuwachs durch die Querdenken-Proteste zu dem Gefühl führte, den Umsturz wagen zu können. Als dies mit im weitesten Sinne friedlichen Methoden etwa beim Sturm auf den Reichstag 2020 nicht gelang, folgte Frust. Nun zögen die Reichsbürger:innen vemehrt auch in Betracht, den Umsturz durch Gewalt herbeizuführen, wie der aktuelle Fall der "Patriotischen Union" zeige, so Miro Dittrich.