Geschichte der Arbeiter*innenbewegung - Teil 2 - Vom 1. Weltkrieg bis 1945
Reiter

Geschichte der Arbeiter*innenbewegung II
Vom 1. Weltkrieg bis 1945
In diesem Teil unserer Selbstlerneinheit beschäftigen wir uns mit der Zeit von 1914 bis 1945. In dieser relativ kurzen Zeit ist aus Sicht der Arbeitnehmenden viel erreicht worden. Das allgemeine Wahlrecht für Frauen und Männer wurde durchgesetzt, der 8 Stunden Tag wurde eingeführt, Gewerkschaften anerkannt, das sind nur einige Beispiele. 1933 allerdings, mit der Machtübertragung an die Nationalsozialisten, wurde es schnell sehr schwierig. Es folgte die Besetzung der Gewerkschaftshäuser, viele Gewerkschafter*innen wurden verhaftet und der 2. Weltkrieg brach aus. Die Errungenschaften aus der Weimaer Republik wurden sehr schnell von den Nazis für ungültig erklärt und durch Gesetze ihrer Ideologie ersetzt.
Neugierig geworden? Dann viel Spaß euch beim zweiten Teil unser Selbstlerneinheit zur Geschichte der Arbeiter*innenbewegung
Der Erste Weltkrieg stellte einen bedeutenden Wendepunkt für die deutschen Gewerkschaften dar. Zu Beginn des Krieges 1914 schlossen die Gewerkschaften zusammen mit der SPD einen "Burgfrieden" mit dem Kaiserreich und verzichteten auf Arbeitskämpfe. Diese Entscheidung war umstritten und führte zu einem erheblichen Mitgliederverlust - die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder sank zwischen 1913 und 1916 von fast drei Millionen auf knapp 1,2 Millionen. Trotz der anfänglichen Unterstützung des Krieges setzten sich die Gewerkschaften weiterhin für die Interessen der Arbeiter*innen ein. Mit dem §11 aus dem Hilfsdienstgesetz von 1916 erhielten sie erstmals eine staatliche Anerkennung und das Recht, in den Betrieben Arbeiterausschüsse wählen zu lassen. Dies war ein wichtiger Schritt zur Stärkung der gewerkschaftlichen Position.
Im Verlauf des Krieges wuchs jedoch der Unmut in der Arbeiter*innenschaft. Die schlechte Ernährungslage und die zunehmenden Entbehrungen führten ab 1916 zu Streiks in verschiedenen Teilen des Landes. Die Gewerkschaftsführung sah sich zunehmend mit einer Protestbewegung konfrontiert, die sie nicht mehr kontrollieren konnte.
Die Novemberrevolution 1918, die mit dem Matrosenaufstand in Kiel begann, markierte schließlich das Ende des Kaiserreichs. Die Matrosen verbündeten sich mit den Arbeitenden und bildeten Arbeiter- und Soldatenräte. Diese revolutionäre Bewegung stellte die Gewerkschaften vor neue Herausforderungen und leitete eine neue Ära der Arbeiter*innenbewegung ein.
Mehr dazu seht ihr im Video nebenan
Ausgelöst wurde die Revolution 1918 durch eine Meuterei von Matrosen in Kiel, die sich schnell auf die Städte ausbreitete. Am 9. November 1918 wurde in Berlin die Republik ausgerufen und Kaiser Wilhelm II. dankte ab. So wurde jetzt wirklich die Monarchie abgeschafft - was ja schon 1848/49 gefordert wurde.
Es folgte die Gründung der Weimarer Republik - damit auch die Einführung des allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrechts - auch für Frauen (siehe nächste Klappe)
1919 wird die Weimarer Verfassung verabschiedet, die als freiheitlichste Verfassung in der deutschen Geschichte gilt.
Hier im Video nebenan seht ihr Friedrich Ebert und hört seine Rede als Reichspräsident nach der Verabschiedung der Weimarer Verfassung: "Der neue Lebensgrundsatz des deutschen Volkes: Freiheit, Recht und soziale Wohlfahrt..."
In der Verfassung wird zum Beispiel auch der 8-Stunden Tag verbindlich eingeführt und Arbeitende werden gestärkt durch Arbeitsschutzgesetze und die Anerkennung der Gewerkschaften als Tarifpartner.
Diese Errungenschaften legten den Grundstein für viele demokratische und soziale Rechte die heute als selbstverständlich gelten. Trotz der kurzen Lebensdauer der Weimarer Republik haben diese Reformen das moderne Deutschland nachhaltig geprägt.
Habt ihr gewusst das auch das Betriebsrätegesetz aus der Zeit der Weimaer Republik stammt?
1920 wurde dieses Gesetz in der Weimarer Republik verabschiedet und erstmals festgelegt dass verbindlich in Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten Betriebsräte zu wählen sind.

gemeinfrei - März1914 - Urheber: Karl Maria Stadler (1888 – nach 1943)

Der Internationale Frauentag, der am 8. März gefeiert wird, hat in Deutschland eine bewegte Geschichte, die eng mit den politischen und sozialen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts und den Gewerkschaften verknüpft ist.
Der erste Internationale Frauentag in Deutschland fand am 19. März 1911 statt. Er wurde von Sozialdemokratinnen und Gewerkschafterinnen organisiert, mit dem Ziel, für das Frauenwahlrecht zu kämpfen.
Clara Zetkin, eine prominente Sozialdemokratin, spielte eine Schlüsselrolle bei der Etablierung dieses Tages. In den folgenden Jahren variierte das Datum des Frauentags. Erst 1921 wurde auf der internationalen Konferenz kommunistischer Frauen in Moskau der 8. März als festes Datum festgelegt. Dies geschah in Erinnerung an die Frauendemonstrationen in St. Petersburg am 8. März 1917, die als Auftakt der russischen Revolution gelten.
Während der Weimarer Republik gab es aufgrund politischer Differenzen zwei separate Frauentage: einen sozialdemokratischen ohne festes Datum und einen kommunistischen am 8. März.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde der Internationale Frauentag in Deutschland verboten. Stattdessen wurde der Muttertag gefördert, der viel besser zum nationalsozialistischen Frauenbild passte.
Trotz des Verbots wurde der 8. März im Untergrund weiterhin als Symbol des Widerstands gefeiert, etwa durch das Auslegen illegaler Flugblätter oder das Aufhängen roter Gegenstände.
Klick hier und lese mehr zum Thema Frauenwahlrecht
Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich der Frauentag in Ost- und Westdeutschland unterschiedlich: In der sowjetischen Besatzungszone und später in der DDR wurde der 8. März offiziell als "Tag der Frau" begangen. Er galt als Höhepunkt der DDR-Frauenpolitik, deren Ziel vor allem die Eingliederung von Frauen in den Erwerbsprozess war.
In Westdeutschland hatte der Frauentag zunächst einen schweren Stand aufgrund seiner sozialistischen Wurzeln. Erst die neue Frauenbewegung der 1970er Jahre verhalf ihm zu neuem Leben. Er entwickelte sich zu einem Tag der feministischen Solidarität und rückte neue Themen wie häusliche Gewalt und Rechte von Migrantinnen in den Fokus.
Seit der Wiedervereinigung wird der Internationale Frauentag in ganz Deutschland von Frauen unterschiedlicher politischer Herkunft gefeiert. Er dient als Tag, an dem auf die Rechte von Frauen aufmerksam gemacht und für Gleichberechtigung demonstriert wird.
Ein bemerkenswerter Schritt in der jüngeren Geschichte des Frauentags in Deutschland war die Entscheidung des Berliner Abgeordnetenhauses im Jahr 2019, den 8. März zum gesetzlichen Feiertag in Berlin zu erklären. Der Internationale Frauentag bleibt ein wichtiger Tag, um auf die Errungenschaften der Frauenbewegung aufmerksam zu machen und gleichzeitig auf immer bestehende Ungleichheiten hinzuweisen.
Hier noch ein Text für dich zum selber ausfüllen und danach auch gerne nochmal lesen :)
Am 30. Januar 1933 wird Hitler zum Reichskanzler ernannt. Die Nazis brauchen nur wenige Monate, um ihre Macht zu festigen und auszubauen. Propaganda und Terror: Das sind die Mittel, um das deutsche Volk "gleichzuschalten". Die nationalsozialistische Ideologie durchdringt bald alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens. Wer den Nazis politisch im Weg steht oder ihrem "arischen" Ideal nicht entspricht, den bekämpfen sie rücksichtslos. Zu den Opfern zählen auch Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter. Am 2. Mai 1933 besetzen die Nazis die Gewerkschaftshäuser und zerschlagen die freien Gewerkschaften und nehmen allen Besitz (Streikkassen u.ä.) an sich.

Besetzung des Gewerkschaftshauses am Berliner Engelufer, 2. Mai 1933
Lasst uns etwas näher auf die Geschichte der Mitbestimmung schauen.
Die Geschichte der Betriebsräte in Deutschland reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Bereits 1850 initiierten erste Unternehmer die Wahl von Arbeiterausschüssen. Ein wichtiger Meilenstein war das Betriebsrätegesetz von 1920, das in der Weimarer Republik verabschiedet wurde und erstmals verbindlich Betriebsräte in Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten vorschrieb. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden Betriebsräte 1934 verboten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg führte der Alliierte Kontrollrat 1946 die betriebliche Mitbestimmung wieder ein. Ein wichtiger Schritt war das Betriebsverfassungsgesetz von 1952, das die Grundlage für die moderne betriebliche Mitbestimmung legte. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Betriebsverfassungsgesetz mehrfach novelliert und die Rechte der Betriebsräte erweitert. Bedeutende Reformen fanden 1972 und 2001 statt. Diese Novellierungen stärkten die Position der Betriebsräte, erweiterten ihre Mitbestimmungsrechte und passten die Regelungen an veränderte Arbeitsbedingungen an.
Heute sind Betriebsräte ein fest etablierter Teil der deutschen Unternehmenskultur und spielen eine wichtige Rolle bei der Vertretung von Arbeitnehmendeninteressen sowie bei der Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgeber*innen.
Hier ein Learningsnack, wenn du mehr über die Entwicklung der Mitbestimmung in Deutschland erfahren möchtest.